black-bear hat geschrieben:Trotzdem ist die Krume bei meinen Broten viel dichter und kompakter geworden. Nun bin ich dazu übergegangen, dezidiert nach Rezepten mit möglichst hohem Vollkornanteil bzw. hoher Mehltype zu suchen, und bin auch oft hier im Forum fündig geworden. Doch auch hier wird meine Krume nicht so locker und großporig, sondern bleibt kompakter und dichter/feinporiger.
1) Dass das selbstgemahlene Mehl nicht so fein wird wie ein gekauftes Vollkornmehl ist mir klar. Aber wie groß ist der Unterschied, kann das so eine große Auswirkung haben?
Absolut ja. Die Partikelgröße macht einen Riesenunterschied.
Das hat auch mit Vollkorn oder Nicht-Vollkorn gar nichts zu tun.
Was Heutzutage als "Vollkornmehl" verkauft wird ist gar kein Mehl. Nach DIN 10355 ist ein Mahlprodukt ein Mehl wenn mindestens 90% der Partikel nicht größer als 150 Mikron (=0.15mm) und die restlichen Partikel nicht größer als 300 Mikron (=0.3mm) sind. Die Handelsüblichen Mehle haben oft nur 25%-30% Mehlanteil und der Rest ist Grieß und Grütze.
Nun stelle Dir einmal vor Du würdest mit 1/3 Grütze, 1/3 Grieß und 1/3 Mehl ein Brot backen. Denkst Du daß dieses Brot locker und luftig wird? Wohl kaum. Das ist mit 1/3 Vollkorn-Grütze, 1/3 Vollkorn-Grieß und 1/3 Vollkornmehl auch nicht anders.
Man benötigt ein echtes Vollkornmehl, also ein Vollkornmahlprodukt bei dem mindestens 90% der Partikel nicht größer als 150 Mikron sind und der Rest Dunst ist (150-300 Mikron). Es geht auch zur Not noch mit bis zu 200 Mikron oder gar 250 Mikron aber das macht sich bereits bemerkbar.
Hinzu kommt dann noch die Tatsache daß die im Vollkornmehl befindlichen Schalenteile unheimlich durstig sind, sich aber ewig Zeit lassen das Wasser aufzunehmen. Die Wasseraufnahmefähigkeit ist so stark daß diese wenn sie erst einmal anfangen das Wasser aufzunehmen dann sowohl den Stärken als auch den Kleberproteinen das Wasser entziehen.
Und da die meisten Bäcker (ob Hobby- oder Berufs-Bäcker) heutzutage gewohnt nur einige wenige Stunden Stockgare zu machen so passiert das gerade wenn die Stärken und der Kleber das Wasser am dringendsten benötigt, nämlich bevor der Teigling in den Ofen gehen soll. Dadurch wird der Kleber und die Verkleisterung der Stärken geschwächt und das Brot wird dann fest und trocken.
Der Schlüssel ein lockeres, luftiges und saftiges Vollkornbrot zu backen ist:
(1) echtes Vollkornmehl (<=150 Mikron)
(2) sehr viel Wasser (90-98% Hydration)
(3) sehr lange Autolyse (8-12 Stunden) oder sehr lange Stockgare (24-48 Stunden)
Ausserdem hilft es mehrere Zyklen von Dehnen und Falten zu machen, ganz wie bei Nicht-Vollkorn. Diese sollte man aber idealerweise dann machen wenn der Teig bereits das Wasser aufgenommen hat.
Wenn man dies beachtet, so kann man auch mit Vollkornmehl schöne lockere und luftige Brote backen. In den folgenden Fotos ist ein Vollkornbaguette zu sehen welches mit echtem Vollkornmehl, 98% Hydration und 48 Stunden Gare hergestellt wurde.
black-bear hat geschrieben:2) Die Typisierung der Mehle ist mir bekannt und einleuchtend. Aber welchen Unterschied macht es, eine Type 812 oder 1050/1150 mit einem Vollkornmehl zu ersetzen? Ich weiß, ich könnte einfach ein 1150er Mehl kaufen und das selbe Rezept erneut backen, aber erstmal würden mich eure Erfahrungen interessieren.
Je höher die Typenzahl, desto höher der Schalenanteil und damit auch die Wasseraufnahmefähigkeit. Ausserdem sind Mehle vom Type 812 meist Hinter-/Nachmehle, und vom type 1050 immer Hinter-/Nachmehle. Ein Hintermehl ist ein Mehl bei dem das Vordermehl entfernt wurde. Ein Vordermehl ist ein Mehl das ausschliesslich aus dem innern des Mehlkörpers besteht, also einen sehr hohen Stärkeanteil aber einen sehr niedrigen Mineralstoff- und Ballaststoffanteil. Durch das Entfernen des Vordermehls wird die Wasseraufnahmefähigkeit besser. Dennoch ist die Wasseraufnahmefähigkeit bei T812 und T1050 wesentlich niedriger als bei Vollkornmehl.
Das Vollkornmehl enthält zudem etwa 3-3.5% Holz was dem Korn die braune Farbe gibt. Dadurch wird die Krume dann sehr viel dunkler.
LG, benjamin