Dietmar's Beitrag zu Langzeitführung und Gärverzögerung ist in der Tat eine der besten Zusammenfassungen die ich kenne und „Pflichtlektüre“ für jeden Hobbybäcker.
Dietmar bezieht sich unter anderem auf die besondere Bedeutung der
Temperaturführung: „… es spielt eine große Rolle ob der Teigling bei 5°C oder 0°C gelagert wird …“Die Wahl der richtigen Temperatur wird oft unterschätzt. Dies gilt für die „kalte“ Gärverzögerung im Kühlschrank genauso wichtig wie für die „warme“ Teigführung von Vor- und Sauerteigen. Um diese Zusammenhänge verständlich zu machen ein paar Gedanken zu:
TEMPERATUR , GÄRAKTIVITÄT und GÄRZEITENDer Hobbybäcker steht immer wieder vor der Frage, wie sich die
Gärzeit mit der Temperatur verändert. Nicht immer lassen sich die Vorgaben eines Rezeptes einhalten, mal ist die Temperatur in der Küche höher als gedacht, mal der Kühlschrank nicht kalt genug. Wie müssen die Gärzeiten verändert werden, was ist zu tun ?
Eine wichtige Größe für die Gärung ist die Generationszeit, d.h. die Zeit sich die Mikroorganismen benötigen, um ihre Anzahl zu verdoppeln. Die Generationszeit von Sauerteig (SFS) ist stark von der Temperatur abhängig und beträgt bei 29C ca. 1:30h, bei 24C ca. 2:15h und bei 19C ca. 4:30h usw (Quelle: Handbuch Sauerteig, Behr’s Verlag). Zweckmäßiger ist es, die Gärung als
Wachstumsrate, d.h. „Teilungsrate pro Stunde“ darzustellen und auf eine Bezugstemperatur zu beziehen.
Man erhält z.B. den folgenden Zusammenhang für die
Wachstumsrate mit einem Bezugswert der Teilungsrate von
100% bei 24C Grad:
Man kann aus der Kurve einfach ablesen, wie sich die Wachstumsrate bei höherer oder niedriger Temperatur verändert:
Ausgangs Temperatur ..... : grün -> 24C = 100%
Niedrigere Temperatur ... : orange -> 19C = ca. 50%
Höhere Temperatur ....... : gelb -> 29C = 150% d.h. die Gare dauert bei 19C etwa doppelt so lange (100/50) wie bei 24C und braucht bei 29C nur 2/3 (100/150) der Zeit wie bei 24C. Also aufgepasst:
Ein Polish der im Winter bei 19C 12 Stunden kühl zur Gare stehen soll, ist im Hochsommer bei 29C bereits nach 4 Stunden fertig, entsprechend 1/3 der Zeit (50/150)!
Genauso wichtig: Die tiefen Temperaturen:
Warmer Kühlschrank ... : rot -> 8C = 10%
Kalter Kühlschrank ..... : dunkelrot -> 4C = 5%Bei 8C sind es noch etwa 10% Aktivität (rote Linie), dh:
Ein Teigling gärt bei 8C also 10 mal länger (100/10) als bei 24C. Eine Temperatur von 8C Grad ist eine typische Temperatur im Haushaltskühlschrank und ein guter Wert um eine einstündige Gare bei 24C um 10-12 Stunden zu verzögern. Soll die Gare um 24 Stunden verzögert werden, müsste die Wachstumsrate auf eine Aktivität von 5% reduziert werden (dunkelrote Linie). Also aufgepasst:
Bei einer Temperatur von 4C gärt ein Teigling also 20 mal länger (100/5) als bei 24C.
Fazit: Wenn man sich ein paar Eckwerte der Kurve in Erinnerung behält, kann man die Gärzeiten bei veränderten Temperaturen sehr gut abschätzen.