Interessantes Rezept, ein paar Dinge kann man schon mitnehmen, aber einige Details verlassen für meine Begriffe dann doch den Boden der Seriosität bzw. der wissenschaftlich nachweisbaren Relevanz. Man sollte sich als Autor vielleicht überlegen, was man in einem Blind-Test (blind nicht im Sinne von "nicht sehen" sondern im Sinne von "nicht wissen, was was ist") in der Lage wäre zu unterscheiden.
Mehr als fraglich ist das bei Aussagen wie "Die Knetzeit in einer Spiralknetmaschine auf langsamer Stufe beträgt bei einer Hydration von 65% exakt 23 Minuten und 10 Sekunden.", insbesondere wenn man sagt "
einer Spiralknetmaschine". Ganz sicher lässt sich eine solche Zeitangabe nicht für verschiedene Fabrikate verallgemeinern. Und ich bezweifle, dass der Autor den Unterschied bei der fertigen Pizza zwischen 23 und 24 Minuten feststellen könnte, geschweige denn 9 und 10 Sekunden. Auch zu erwähnen ist die Aussage "das Wasser bereits einen Tag vorher in den Kühlschrank stellen", ohne wirklichen Nutzen, da die Temperatur maßgeblich ist und nicht die Dauer.
Ich kann für mich mitnehmen "Nach Möglichkeit sollte der Teig 22 bis 23 Grad kalt bleiben. Die Obergrenze ist 24 Grad.". Hydration von 70% kannten wir dank dir, Manfred, ja bereits. 3,1% Salz finde ich unnötig hoch - die bei Pizzateig üblichen 2,5% sind ja auch schon eher viel, aber ok, das ist Geschmackssache. Viele andere Aussagen gehen für mich eher in den Bereich Esoterik. Interessieren würde mich höchstens noch die Aussage "Zudem verwende ich Trockenhefe, da diese bei einer Teigführung von 48 bis 96 Stunden bedeutend besser schmeckt als Frischhefe.". Kann dazu jemand etwas sagen, steckt da etwas dahinter?
Ich bin noch auf die Definition von Tipo 00 gestoßen. Laut
https://de.wikipedia.org/wiki/Mehl#Vorgeschriebene_Grenzwerte_in_Italien ist das ein Weichweizenmehl mit einem Mineralstoffgehalt von maximal 0,55 und einem Eiweißgehalt von mindestens 9%. D.h. ein deutsches Weizenmehl Type 405 kommt dem Minerstoffgehalt sehr nahe, und ansonsten wird Kleberweiß (Gluten) beigemischt, um die mindestens 9% Eiweißgehalt zu erreichen. Das Caputo Cuoco hat einen besonders hohen Eiweißgehalt von 13% (das merkt man auch). Das in dem o.g. Rezept verwendete Pizzamehl Veracé Napulé hat einen noch höheren Eiweißgehalt von 14,5% und anscheinend einen noch feineren Ausmahlungsgrad.
Zuletzt habe ich mir etwas Gedanken zur Hydration gemacht. Eine hohe Hydratation von 70% bei einem backstarken Tipo 00 macht ja schon Sinn. Aber das führt unweigerlich zu einer sehr starken Blasenbildung (auch kleiner Bläschen), vor allem am Rand. Ist das ausschließlich positiv zu bewerten? Ich finde nicht. Wenn ich mir die Fotos bei dem o.g. Rezept anschaue, sind überall feine bis mittelgroße schwarze (nicht dunkle, sondern wirklich schwarze) Bläschen zu sehen - und ich denke, das lässt sich nicht bei einem solchen Teig nicht verhindern, wenn man die Pizza ordentlich backen will. Geschmack hin oder her, für mich sind verkohlte Stellen nicht erstrebenswert - aus gesundheitlichen Gründen esse ich sie nicht, schmecken tun sie mir auch nicht. Den Rand wegwerfen möchte ich aber auch nicht - das widerspicht für mich einem sinnvollen Umgang mit Lebensmitteln. Ganz davon abgesehen schmeckt mir ein luftiger, moderat gebräunter, aber nicht schwarzer, Rand herrlich. Mit anderen Worten: Eine hohe Hydratation geht neben den Vorteilen für
meine Bedürfnisse auch mit Nachteilen einher, weswegen ich probieren werde, sie wieder ein wenig zu senken.