Ich fühle mich nach einem halben Jahr "Backen mit Sauerteig" nun bereit für Experimente mit dem Versäuerungsgrad. Da ich annehme, daß auch viele von Euch über dieses Thema nachdenken und die eine oder andere Erfahrung damit gemacht haben, vergleiche ich einfach mal zweierlei Brötchen vom Sonntag miteinander.
Rezept A: 2,8% Versäuerung
Gesamtzeit ca. 12 Stunden
Als ich am Samstag die Brötchen für Sonntag vorbereitete, fragte ich mich, ob ich anstelle der bei mir üblichen kalten Gare nicht einfach den Anteil der Lievito Madre extrem reduzieren und den Teig bei sommerlichen 24-25° über Nacht vor sich hin garen lassen sollte.
Autolyse:
350g Dinkelmehl 630
3,6g Backmalz
200g Wasser
eine Stunde Teigruhe
Hauptteig:
Autolyseteig
15g Lievito Madre aus Dinkelmehl 630 (TA 146)
1g Hefe
15g Wasser
7,2g Salz, im Wasser gelöst
Über Nacht neun bis zwölf Stunden bei 24-25° garen lassen (hier: neun).
Bis zum Schlafengehen dreimal dehnen und falten.
Am Morgen Teiglinge formen und eine bis anderthalb Stunden zur Stückgare stellen.
Ca. 20 Minuten backen bei 270° fallend auf 220° C.
Heraus kamen lockere wohlschmeckende milde Sauerteigbrötchen mit einer kaum wahrnehmbaren Hefenote. Besser als sie mir je bei kalter Gare gelungen waren und das bei etwa einem Fünftel der sonst von mir verwendeten Menge an LM.
Dummerweise kann ich zum Einfluss der Hefe nicht viel sagen, weil ich erst vor ein paar Wochen überhaupt angefangen habe, ab und zu Hefe zuzusetzen. Bei kalter Gare und höherem LM- und Hefeanteil waren die Brötchen zwar fast immer sehr lecker, aber mir persönlich schmeckte das Ergebnis der langen warmen Gare besser.
Rezept B: 17% Versäuerung
Gesamtzeit ca. 3,5 Stunden
Weil ich bis zum Frühstück noch sehr viel Zeit hatte, habe ich nach dem Formen der Teiglinge zu Rezept A noch schnell das genaue Gegenteil fabriziert: Brötchen mit hoher Versäuerung und vergleichsweise hohem Hefeanteil.
Autolyse:
80g LM
140g Wasser (33°C)
250g Dinkelmehl 630
25g Schrot vom Champagnerroggen
4g Backmalz
Mischen und eine halbe Stunde ruhen lassen.
Hauptteig:
Autolyseteig
6g Salz
10g Wasser
4g Hefe
5g Butter
Fünf Minuten kneten und 75-90 Minuten Stockgare bei 24-25°C. Währenddessen den Teig dreimal dehnen und falten.
Teiglinge formen und eine Stunde bei 28°C zur Gare stellen.
Ca. 20 Minuten backen bei 270° fallend auf 220°.
Die Brötchen nach Rezept B sahen zwar lecker aus, hatten aber eine hefetypische trockene Krume und schmeckten hefig-fad. Definitiv nicht mein Fall. Hätte ich die Hefe weggelassen, wären sie vermutlich nicht so gut gegangen in der kurzen Zeit. Aber ich werde es bei Gelegenheit mal wieder ausprobieren, mit deutlich verringerter Hefemenge. Trotzdem bleiben Speedbrötchen bei mir sicher nur eine seltene Ausnahme.
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Wie sind Eure Erfahrungen so? Wie gering darf der Versäuerungsgrad sein, um noch leckeres Gebäck herzustellen?
Welche Nachteile ergeben sich aus einer recht langen Gare bei hohen, sommerlichen Temperaturen?
Wie lang darf eine lange warme Gare sein, damit der Teig nicht "abkippt"?