UlrikeM hat geschrieben:Ich kann euren Unmut verstehen, altes Brot einfach zu verheizen, aber man muss der Realität ins Auge sehen.
Nein was Du meinst ist eher Resignation, nach dem Motto alle machens so also muß auch der kleine Bäcker das soo machen. Kein kleiner Bäcker kann das lange überleben egal ob er da mitmacht oder nicht. Zumal ein kleiner Bäcker dieses breite geforderte Sortiment gar nicht bieten kann selbst wenn er wollte. Schon aus organisatorischen und kapazitiven Gründen. Er sei denn er bäckt auf, arbeitet mit zeitsparenden aber horrend teuren (und qualitativ fragwürdigen) Fertigmischungen u.s.w..
Das ist genau das was die vielen kleinen Bäcker kaputt gemacht hat, der gefühlte Zwang mit den Großbäckern mithalten zu müssen, und das macht auch das Handwerk an sich kaputt.
Der richtige Weg ist genau der umgekehrte zurück zu ehrlichem Handwerk. Dazu muss man eben aber auch ein Talent haben das den Kunden näher zu bringen warum man eben nur 5-6 Sorten Brot und nicht 50 anbieten kann und dann auch wirklich bessere Qualität als die Großbäckereien abliefern um das zu untermauern. Günther Weber zeigt das sehr schön in seinem Buch vom Loretohof wie man sowas aufziehen klann und sogar in der größten Pampa der Laden brummt. Und wenn Du mal in sein Buch schaust die Größe seines Angebots ist sehr überschaubar. So wie er als scheinbarer Eigenbrötler arbeitet war bis in die 7oer eigentlich der Normalfall und der typische Bäcker. Mein Papa hat genauso gebacken teils mit sehr ähnlichen oder fast gleichen Rezepten. Wir hatten dazu nur noch ein größeres Angebot an Torten und ähnlichem Konditoreiprodukten. Das einzige was einen Günter Weber von meinem seeligen Papa unterschiedet ist der Holzbackofen.
Aber ich habe auch mitbekommen wie die Backzutatenmafia die Bäcker zur Aufgabe ihrer alten Traditionen verführt hat. Die schöne neue Welt in der alles schneller, besser und einfacher geht hat die Bäcker kaputt gemacht, weil sie immer weniger von Großbäckereien unterscheidet außer eben der Preis.
Und wenn Du nur über den Preis und die scheinbar tolle Vielfalt Umsatz machen kannst, dann hast Du als kleiner Bäcker verloren. Du wirst auf das Niveau der Goßen herabgezogen und dann mit deren Waffen geschlagen. Da kannst Du noch so viel Sorten anbieten Du bist auf Dauer chancenlos, weil Du niemals so billig wie ne Massenproduktion arbeiten kannst.
Wenn man den Leuten bewußt machen könnte was heute alles verschwendet und für den Abfall teuer produziert wird und was das für volkswirtschaftliche Kosten verursacht (die letztendlich auf alle zurückfallen), da würde sich auch einiges ändern und diese Auswahl bis 5 Minuten vor Ladenschluss eher skeptisch gesehen werden.
Sowas wäre z.B. mal ne Aufgabe für ne Verbraucherministerin, sicher wären da auch bessere gesetztliche Rahmenbedingungen möglich die ein Umdenken erleichtern. Und die Leute mal mit Kampagnen aufklären, daß dies nicht in gesellschaftspolitischem Sinne sein kann, wenn sonstwo gehungert wird und das auch unnötige Kosten und Abfälle verursacht.
Daß sowas funktionieren kann zeigt die Recyclingindustrie. heute wird Glas fast lückenlos wiederverwertet genauso Metalle und ein Großteil des Papiers. Es gibt den gelben Sack, Bio Tonnen etc.. Wenn man das mal mit vor 30-40 Jahren vergleicht hat hier ein geradezu revolutionäres Umdenken stattgefunden fast unbemerkt. Viele haben schon in der Küche mehrere Eimer zur Mülltrennung stehen. Fragt mal eure Mütter ob die über sowas überhaupt nachgedacht haben. Ein Umdenken ist also möglich, wenn gewisser gesellschaftlicher Druck dafür gemacht wird. Mit das ist halt heute soo und Schulterzucken erreicht man das eher nicht.
Von den vielen Bäckereien die zu zeiten meines Papas in der lokalen Umgebung aktiv waren gibt es drei Typen. Die meisten sind mittlerweile dicht Typ1, 2 sind gewachsen und zählen heute zu den 2 Großbäckereien die die ganze Region dominieren. Und einige ganz wenige sind bei ihre Handwerkskunst geblieben und bieten auch teilweise auf Bio Backwaren umgestiegen, auch die haben überlebt. Und in deren Bäckereien sind die Regale um 6 Uhr auch nicht mehr voll. (denn das wäre für mich z.B. auch eher ein schlechtes Zeichen und sicher keine gute Bäckerei
)