BrazyBrot hat geschrieben:Wenn ich die Menge im Quellstück erhöhe, verringere ich aber trotzdem nicht die normale Menge, oder?
Richtig. Der Wasserhaushalt von Quell-, Brüh- und Kochstücken sollte im Prinzip unabhängig vom Hauptteig sein. Man sollte zunächst einmal so viel Wasser wie möglich in seine Quell-, Brüh- und Kochstücke bringen. Danach sollte man dann die Wassermenge im Hauptteig auf die gewünschte Konsistenz abstimmen. Also nicht einfach rechnerisch die im Rezept angegebene Wassermenge um die im Quell-, Brüh- oder Kochstück erhöhte Menge reduzieren, sondern das Wasser im Hauptteig je nach gewünschter Konsistenz erhöhen oder reduzieren.
BrazyBrot hat geschrieben:... bei VK brauche ich aber deutlich mehr Wasser und muss den gesamten Teig gute 6 Stunden gehen lassen?
Muss nicht, das Brot wird aber erheblich besser sowohl von der Konsistenz als auch geschmacklich wenn Du den Teig richtig bewässerst. Und dazu benötigt VK eben mehr Zeit.
BrazyBrot hat geschrieben:... im Alltag. 3-4 Stunden Gehzeit wird bei mir praktisch das maximum sein, ansonsten müssten es wiederum mehr als 18-20 Stunden sein, bis ich wieder Zeit für den Teig habe.
Ich denke wir haben da ein Missverständnis.
Ein VK-Teig benötigt um die 6 Stunden um das Wasser völlig aufzunehmen, das heisst aber nicht daß man nach diesen 6 Stunden eingreifen und in Aktion treten muß. Die Enzyme und Mikroorganismen im Teig arbeiten ganz von alleine.
Der Teig sollte ausserdem das Wasser aufnehmen bevor die Mikroorganismen in erkennbarem Maße CO2 und Säure produzieren. Die Schalenteile stehen mit den Proteinen in Konkurrenz um das Wasser. Die Schalenteile nehmen das Wasser zwar erheblich langsamer auf als die Proteine, ihre Wasserbindungskraft ist aber wesentlich höher. Wenn das Wasser knapp wird, dann stehlen die Schalenteile den Proteinen das Wasser und damit schwächen sie das Klebernetzwerk.
Natürlich könnte man den Teig erst einmal ohne Anstellgut für etwa 6 Stunden ruhen lassen und das Anstellgut erst dann zugeben. Das ist aber weder praktisch, noch unbedingt notwendig.
Es ist nicht nur praktischer sondern auch der Qualität des resultierenden Brotes dienlicher wenn man das Anstellgut (und/oder die Hefe) gleich zu Beginn in den Teig mischt aber dabei nur eine sehr geringe Menge Anstellgut (und/oder Hefe) verwendet, und zwar so wenig daß man eine Garzeit von etwa 20-22 Stunden erreicht.
Die Mikroorganismen arbeiten sehr langsam. Zunächst gibt es eine sogenannte Lagerphase bei der sich die Mikroorganismen auf die neue Umgebung (im Teig) umstellen. Danach beginnt die exponentielle Wachstumsphase, und da diese exponentiell ist, tut sich da ebenfalls zu Beginn sehr wenig. Wenn man also nur eine sehr geringe Menge Anstellgut (und/oder Hefe) verwendet so tut sich in Sachen Fermentierung für die ersten 6 Stunden während der Teig noch das Wasser aufnimmt praktisch noch gar nichts.
Die Frage bleibt dann lediglich wann mache ich das Dehnen & Falten? Es wäre zwar ein günstiger Zeitpunkt das zu tun nachdem der Teig das Wasser ganz aufgenommen hat, man kann es aber auch schon früher und/oder noch später tun.
Du könntest also am Abend nach dem Abendbrot, sagen wir um 19:30 den Teig machen, dann vor dem Schlafen gehen, sagen wir um 22 Uhr und um 22:30 zwei Zyklen Dehnen & Falten machen, und falls Du am Morgen noch ein wenig Zeit hast könntest Du vor und/oder nach dem Frühstück nochmals Dehnen & Falten. Dann am Abend den gereiften Teig teilen und formen, sagen wir wiederum nach dem Abendbrot um 19:30, und nach etwa 60-90 Minuten Stunden Stückgare dann Backen, also zwischen etwa 20:30 und 21:00, und das Brot ist dan vor dem Schlafengehen bereits gebacken.
BrazyBrot hat geschrieben:Ich hatte aber jetzt nicht den Eindruck, dass es dem Sauerteig schadet, wenn er länger steht, oder täusche ich mich da?
Die Fermentierung folgt dem Zyklus des bakteriellen Wachstums. Nach dem Füttern oder nach der Beigabe in den Hauptteig gibt es die Lagerphase bei der die Mikroorganismen sich auf die neue Umgebung einstellen, dann eine exponentielle Wachstumsphase die wir der Name sagt exponentiell ist, dann eine Verzögerungsphase bei der das Wachstum sich verlangsamt weil das Futter knapp wird, dann eine längere stationäre Phase bei der das Wachstum sich mit dem Absterben von Zellen/Bakterien ausgleicht und schließlich eine Sterbephase bei der die Anzahl der sterbenden Zellen/Bakterien die Reproduktion zunehmend überwiegt.
Die exponentielle Phase geht in etwa mit der Volumenzunahme des Anstellguts einher. Das heißt daß diese ihr Maximum erreicht wenn das Volumen des AG am höchsten ist (in etwa). Die Triebkraft des AG ist am besten bevor das Maximum erreicht wird. Der erfahrene Bäcker (ob Hobbybäcker oder Berufsbäcker) kann durch Erfahrung beurteilen wann das AG unmittelbar vor dem Maximum ist. Es ist aber auch kein Problem wenn man das AG erst später zugibt. Man kann das AG ohne Probleme zugeben wenn es sich bereits in der stationären Phase befindet und diese dauert i.d.R. mehrere Tage. Es ist aber hilfreich eine Routine zu finden, also immer etwa zum gleichen Zeitpunkt das AG verwenden um konsistente Resultate zu haben und damit über längere Zeit ein Gefühl für das Verhalten des AG und des Teiges zu entwickeln.
Wenn Du aber maximale Triebkraft anstrebt, Dein AG aber bereits vor dem Ablauf der gewünschten 24 Stunden sein Maximum erreicht, so kannst Du beim Füttern des AG am Vortag ein höheres Ratio von Mehl+Wasser zu AG verwenden und/oder die Temperatur verringern, etwa das AG über Nacht in den Kühlschrank und dann am Morgen herausnehmen um die Gare des AG zu verlangsamen. Das bedarf ein wenig experimentieren.