Re: Richtig gute Brötchen, nur Krume zu kompakt
von BrotDoc » Sa 18. Aug 2012, 17:03
Hallo Stefan,
wenn ich meine Sicht der Dinge noch mal zusammenfassen darf:
Der Hauptgrund für die enge Krume liegt in der zweiten Knetung und der Verringerung der TA durch nochmalige Mehlzugabe.
Die anderen Probleme liegen im Rezept:
1. Die Teigausbeute ist für Brötchen, die Du vorgeformt gehen läßt, deutlich zu hoch. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, hast Du bei Deinem Rezept TA 166, damit lassen sich zwar schöne Baguettes backen, aber die "echten" deutschen Brötchen haben maximal TA 160. Das gilt insbesondere für Brötchen, die Du vorgeformt gehen lassen willst. Die müssen auch noch ihre Form behalten, da würde ich eher auf TA 155-157 gehen. Mit Deinem Rezept würde ich die kalte Führung, wie Babsie sagt, auf jeden Fall mit dem gesamten Teig machen und die Teiglinge erst morgens formen. Das geht auch bei Deiner TA, man braucht aber schon etwas Erfahrung und Geduld bei der Formung der Teiglinge und sie werden eher flach werden wegen des weichen Teiges.
2. Wenn Du eine lockere großporige Krume willst, auf keinen Fall ein zweites Mal kneten! Die nach der ersten Gare vorhanden Gärblasen dürfen nicht mehr durch so grobe Vorgänge wie maschinelles oder händisches Kneten zerstört werden. Strecken und Falten ist hier das Mittel der Wahl. Ändere Dein Rezept lieber so, daß Du nicht in die Bredouille kommst, später noch Mehl einkneten zu müssen.
3. Brötchenbackmittel würde ich bei kalten Führungen generell weglassen. Wer weiß, ob da nicht doch enzymaktives Backmalz drin ist? Die Backmittel an die wir Hobbybäcker kommen, sind für direkte Teigführungen ausgelegt, und da würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, daß da nicht enzymaktives Malz verwendet wird. Zur Erklärung: enzymaktives Malz ist "aggressiv", es baut mit seinen Enzymen die Stärke im Mehl aktiv zu Zucker ab und führt der Hefe so mächtig Futter zu. Bei direkten Teigführungen verbessert das den Trieb. Bei langen kalten Führungen ist es aber so, daß die Hefe zu viele Stunden auf Turbo läuft und Dir den Teig abfrißt. Der Teig wird pampig und klebrig, läßt sich nicht mehr gut formen und hat wenig Gashaltekapazität. Ergebnis: schlechter Ofentrieb und feste, womöglich klitschige Krume.
Wenn es Backmittel bei kalten Führungen sein sollen, dann solltest Du Dir die gute alte Milliose selbst herstellen aus 50 % enzyminaktivem Backmalz und 50 % Lecithin. Das funktioniert super, ohne daß der Teig gleich hinüber ist.
Wenn Du unbedingt mit dem Backmittel arbeiten willst, dann setze lieber 20 % der Mehlmenge abends als Poolish an und knete den Hauptteig morgens frisch unter Zugabe des Backmittels. Das funktioniert auch super.
3. Habe die Erfahrung gemacht, daß man bei kalten Führungen bis zu 12 Stunden auch bis 1,3 - 1,5 % Hefezugabe gehen kann -> Ergebnis: etwas schnelllere Endgare und etwas besserer Ofentrieb, ohne Abfressen des Teiges.
Brötchen mit so lockerer Krume hinzubekommen wie aus der Bäckerei, erfordert die Nutzung von DAWE-haltigen Backmitteln (= Diamin-Weinsäureester). Ohne diesen chemischen Zusatz wird die Krume zwar auch locker, aber niemals so luftig wie aus der Bäckerei.
Du mußt halt entscheiden, ob Du das wirklich im Brötchen drinhaben willst. Mir ist eine etwas festere Krume, die dafür richtig aromatisch schmeckt, lieber.