Durchhaltebemmchen hat geschrieben:Ich habe schon einige Brote vermasselt in beiden Arten von Körben und nutze sie nur noch mit bestäubten Baumwolltuch.
Es ist ja auch völlig OK immer mit Leinen zu arbeiten, insbesondere bei feuchten Teigen.
Man beachte daß im Mittelmeerraum wo feuchte lockere Teige eher die Norm sind oft gar keine Gärkörbchen benutzt werden. Die benutzen i.d.R. dort bemehlte Leinentücher, selbst für ovale und runde Laibe. Und wenn Gärkörbchen benutzt werden so sind diese eigentlich immer mit Leinentuch bedeckt.
Es ist also anzuraten bei feuchten und weichen Teigen, die Gärkörbchen mit Leinen zu bespannen. Die Experten für feuchte weiche Teige (=Bäcker im Mittelmeerraum) machen das so.
Durchhaltebemmchen hat geschrieben:Zwar juckt es mich, es doch nochmal zu probieren, eventuell so wie es Hansi macht, ...
Wenn man doch ohne Leinen arbeiten will, so sollte man sich nicht scheuen eher mehr als weniger Mehl zu nehmen.
In den Berufs- und Meisterschulen wird gelehrt daß man nur sehr wenig Mehl zum bestäuben nimmt, da gibt es ein gewisses Stigma: wer auch nur ein wenig mehr Mehl nimmt gilt als blutiger Anfänger. Man hört Bäckermeister die sich damit brüsten daß sie einen unerfahrenen Bäcker sofort daran erkennen wieviel Mehl er in die Gärkörbchen zum bestäuben gibt.
Das ist ja auch bei den eher Fabrik-artigen Broten die sehr viele Bäckereien heutzutage machen schön und gut. Die Teige sind ja tendenziell eher fester und trockener. Da braucht's halt wenig Mehl.
Artisanen* und Hobbybäcker haben aber i.d.R. eine Philosophie die nicht auf zeitsparende Produktion ausgerichtet ist, sondern auf das Brot allein. So machen sie meist feuchtere Teige und benutzen eher längere Gare, auch längere Stückgare. Dabei versuchen viele dann auch ständig beim nächsten Mal die Grenzen noch ein wenig weiter zu testen.
Solche Teige machen mehr Mühe, erfordern mehr Sorgfalt, und wenn man Gärkörbchen ohne Leinen verwenden möchte, dann benötigen sie auch eine sorgfältigere Bestäubung mit mehr Mehl.
Und man kann auch nicht einfach nur das Mehl über die Gärkörbchen rieseln lassen, sondern man muß es sorgfältig in die Ritzen hineinreiben bis kein Teil der Ritzen unbedeckt bleibt. Die Handwerksbäcker mögen da ihre Nase rümpfen und diese Vorgehensweise als die eines blutigen Anfängers abtun, aber wen kümmert das schon?! Die Teige sind halt nun mal feuchter, und sie kleben bei längerer Stückgare dann auch leichter. Das Endresultat ist ein besseres Brot. Und das ist was zählt.
Wenn man also ohne Leinen arbeiten will, so sollte man den Teigling bemehlen wo er mit dem Gärkörbchen Kontakt haben wird, und das Gärkörbchen gut und sorgfältig bemehlen so das alle Ritzen mit Mehl ausgefüllt sind. Ausserdem könnte man die Stückgare noch im Kühlschrank machen weil ein kalter Teig weniger klebt als ein warmer. Bonus: der kalte Teigling lässt sich einfacher mit filigranen Mustern einschneiden, falls man da künstlerisch veranlagt ist.
Durchhaltebemmchen hat geschrieben:... aber wenn ich dann an die vertane Zeit und Arbeit denke........
Wenn der eine oder andere Teigling dann doch mal kleben bleibt so muß das nicht unbedingt zu einer Katastrophe führen. Vorsichtig den klebenden Teigling durch schwenken und nur leichtes rütteln aus dem Gärkörbchen herauslösen um die Einreisstellen möglichst klein und gering zu halten. Dabei die Geduld nicht verlieren. Die Schwerkraft arbeitet mit, es mag ein wenig dauern bis sich der Teigling lößt. Man denke an ein lästiges Preisschildchen daß sich einfach nicht ohne aufzureissen von der Ware lösen läßt. Da braucht es Geduld und ein wenig Fingerspitzengefühl.
Wenn der Schaden gering ist und man in seinem Ofen kräftig Dampf macht, dann richtet sich selbst ein zusammengefallener Teigling oft durch den Ofentrieb wieder aus. Da ist es dann von Vorteil daß der Teig weich ist. Kräftiger Dampf und eine gute Ofenhitze ist aber wichtig.
Überschüssiges Mehl am Teigling sollte man natürlich vor dem Einschießen mit einem Pinsel vorsichtig entfernen.
All dies macht mehr Mühe und kostet mehr Zeit. Bäckereien nehmen sich diese Zeit in der Regel nicht. Der Artisan und Hobbybäcker kann sich aber die Mühe machen und sich die Zeit leisten. Und er (oder sie) darf auch mehr Mehl zum Einstäuben von Gärkörbchen verwenden, ganz ohne Schmach. ;-)
[*] Ich unterscheide zwischen Artisan und Handwerksbäcker auch wenn die Worte eigentlich synonym sein sollten. Die Handwerksbäcker haben in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr industrielle Praktiken und auch Denkweise übernommen so daß viele keine Artisanen mehr sind sondern eher kleine Industriebetriebe die halt nur nicht voll-automatisiert sind.
LG aus Japan
benjamin