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Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon lucopa » Sa 1. Mai 2021, 20:32

Hallo Matthias,

ein Apothekersieb wäre evtl. eine Lösung; aber auch recht teuer.
https://www.linker-kassel.com/neu/xtcommerce/index.php?cat=c62_Reinaluminium.html&XTCsid=d93fe14d8bef450c8afb12e58e9ffb07

Manfred
Nachbar fragt: "Hast Du Dein Heu schon hereingeholt?". Bauer antwortet: "Ich hab's noch nicht einmal hinaus gebracht".
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon cremecaramelle » Sa 1. Mai 2021, 20:42

LieLi hat geschrieben:Mit welcher Maschenweite siebt ihr denn aus?

In meinem Standard-Haushaltssieb bleibt kaum Kleie zurück, sodass ich nicht mehr siebe.



ich hab das hier:https://bongu.de/#/Artikel/10/mehlsieb
:ma Wer mir die Flügel stutzt, muss damit rechnen, dass ich auf meinem Besen weiterfliege
mein Brotblog: http://wildes-brot.de
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Mo 30. Aug 2021, 08:22

[quote="Roggenvollkorn"]Das Argument „Kleie zerschneidet die Glutenstränge“ hört man ja immer wieder.
Hat dies mal jemand getestet, wie auch immer? Ich kann das nicht ganz glauben und vermute eher, dass im gleichen Volumen einfach weniger Gluten ist und daher das Volumen kleiner wird.[/quote]

Wenn es sich um einen reinen Roggenteig handelt, also einen Teig in dem nur Roggenmehl enthalten ist, so hat der Teig kein Gluten, weil Roggen keine Glutenbildenden Proteine beinhaltet. Demzufolge kann auch Nichts die Glutenbildung behindern.

Die Backfähigkeit von Roggenteig beruht einzig und allein auf der Quellung von Schleimstoffen (wissenschaftlich Hydrokolloide genannt) welche bei Roggen in hoher Konzentration sowohl in der Schale als auch im Mehlkörper vorhanden sind. In anderen Getreiden sind diese zwar auch vorhanden aber (fast) ausschliesslich in der Schale und in geringerer Konzentration.

Die Schleimstoffe im Roggen sind sogenannte Arabinoxylane, das sind Xylose-Ketten mit Arabinose-Ãsten welche sich ähnlich wie die Glutenformenden Proteine im Weizen (sog. Gliadine und Glutenine) verhalten, also unter Aufnahme von Wasser, Ketten und Verästelungen bilden und damit den Teig zähflüssig machen. Man nennt sowas ein Hydrogel. Das Hydrogel verhindert daß sich das CO2 das bei der Fermentation entsteht verflüchtigt und bringt damit den Teig zum Aufgehen.

Anders als das Hydrogel Gluten, ist das Hydrogel aus Arabinoxylanen aber nicht elastisch. Aus diesem Grund lässt sich Roggenteig nicht dehnen und er geht daher nicht so gut auf wie Weizenteig.

Xylosen und Arabinosen sind übrigens Polysacharide, also Mehrfachzucker, in ihrer Bindung als Arabinoxylane aber für den Menschen unverdaulich, daher gehören diese zu den Ballaststoffen.

Interessantes Faktoid: Flohsamenschalen enthalten die gleichen Arabinoxylane wie Roggen. Man kann also jedem Teig der weder glutenbildende Proteine noch ausreichend gelier-fähige Schleimstoffe enthält mit der Zugabe von Flohsamenschalen zumindest die Backfähigkeit und Konsistenz von Roggenteig verleihen.

Warum geht also ein Roggenteig aus feinem Roggenmehl besser auf als ein Roggenteig aus groben Roggenmehl oder Roggenschrot? Die Antwort is geradezu simpel: Schwerkraft. Je kleiner die Partikel, desto leichter ist es für die sich bildenden Gasbläschen diese aus dem Weg zu schieben. Größere Brocken behindern die Blasenbildung und Blasenausdehnung mechanisch.

Ausserdem nehmen kleinere Partikel das Schüttwasser besser auf. Dies fördert die Gelbildung der Schleimstoffe denn diese findet nur in der Präsenz von ausreichend Wasser statt. Je kleiner die Partikel, desto besser die Gelbildung, je größer desto schlechter die Gelbildung.

Bei Weizenteigen (Weichweizen, Hartweizen, Dinkel, Emmer, Einkorn, Khorasan) und Weizenhybriden (Triticale und Tritordeum), welche ja glutenbildende Proteine enthalten ist es allerdings in der Tat so daß Kleie die Glutenbildung mechanisch behindern kann.

Auch hier gilt wiederum je größer die Partikel, desto größer ist diese Behinderung. Die größeren Partikel stellen eine mechanische Behinderung für die Glutenbildung dar und wie auch beim Roggenteig für die Blasenbildung und Ausdehnung, allerdings letzteres in geringerem Maße weil Gluten eben elastisch ist und dadurch die Expansion der Blasen stärker ist -- man stelle sich einen Gummiballon vor und vergleiche diesen mit einer löchrigen Plastiktüte.

Die Kleie stiehlt aber auch den glutenbildenden Proteine das Wasser das diese benötigen um Gluten zu bilden. Und da die größeren Kleiepartikel das Wasser langsamer aufnehmen so hat man beim Teigmachen den Eindruck daß der Teig genau richtig ist, wenn der Teig dann ruht und fermentiert fehlt Wasser weil in der Zwischenzeit diese Kleiepartikel das Wasser aufgenommen haben.

All diese Faktoren führen dann zu weniger Volumen bei der Teiglockerung.

Im übrigen führen die Schalenfetzen im Brot dazu das die Feuchtigkeit im Brot sich schneller verflüchtigt weil die Gesamtheit der Schalenfetzen eine relative große Oberfläche bietet und Wasser verdampft schneller je größer die Oberfläche ist.

Und letztens, verursachen diese größeren Schalenfetzen auch noch ein unangenehmes Mundgefühl beim Essen des Brotes.

Mann kann all diese Nachteile aber zu einem erheblichen Ausmaß vermindern oder sogar verhindern indem man das Vollkornmehl feiner macht.

Das Problem dabei ist aber daß die Kleie insbesondere bei ungespelztem Getreide wie Weizen sehr sehr zäh ist und die mechanische Energie welche benötigt wird um die Kleie ausreichend zu zerkleinern erhitzt das Mahlgut und ist damit für die übrigen Fraktionen des Korns nachteilig.

Die Lösung liegt in der separaten Behandlung von Kleie und Mehlkörper. Dazu muß man die Kleie vom Mehlköper und Keim trennen. Mit einer Walzenmühle beim Müller lässt sich die Kleie sehr schön sauber trennen aber für den Bäcker, und insbesondere den Hobby-Bäcker ist eine solche Mühle nicht nur unpraktisch sondern auch unerschwinglich.

Mit einer Steinmühle erhält man ein Vollkornmehl mit Partikelfraktionen bei der Kleie und Grieß in etwa gleicher Größe anfallen. Lediglich die allergrößten Kleiepartikel (etwa 700~800 µm und größer) lassen sich relativ gut vom Rest des Mehls trennen.

Die Fraktion mit einer Partikelgröße zwischen 300 und 700~800 µm hingegen enthalten eine gute Menge an Grieß. Generell, je kleiner die Partikel desto weniger Kleie und desto mehr Grießanteil.

Die grobe Fraktion (>700~800 µm) kann man getrost in einen Kaffeeröster geben und bei etwa 160 Grad Celsius fur 12-15 Minuten leicht rösten, in erster Linie um die Flüssigkeit in der Kleie zu verdampfen und damit die Kleie auszutrocknen, denn damit wird die Kleie spröder und lässt sich dann viel besser zerkleinern. ACHTUNG! Wenn man die Kleie zu stark röstet so daß sie dunkler wird so wird das Brot sehr dunkel (fast wie Schokoladenbrot) und es schmeckt dann nach Malzkaffee.

Die mittlere Fraktion (zwischen 300 und 700~800 µm) kann man aber nicht so behandeln weil diese einen erheblichen Grießanteil enthält. Diese kann man aber nachmahlen. Wenn man das in einer Steinmühle tut so wird der darin enthaltene Kleieanteil fast gar nicht berührt, aber der Grieß wird zunehmend kleiner so daß man nach einigen Mahl und Siebgängen mit einem 250 oder 200 µm Sieb dann fast nur noch Kleie übrig hat. Diese kann man dann getrost zu der groben Fraktion hinzugeben und gemeinsam rösten (oder genauer eigentlich austrocknen).

Man kann auch eine industrielle Gewürzmühle mit rotierenden Messern verwenden, dann darf man aber bei jedem Mahlgang nur für 10-20 Sekunden mahlen damit sich das Mahlgut mit dem verbleibenden Grieß und Mehlanteil nur geringfügig erwärmt um das resultierende Mehl nich kaputtzumachen. Mit einer solchen Mühle wird dann ein Teil der Kleie auch zerkleinert.

Wenn man dann am Ende hauptsächlich Kleie übrig hat und diese in einem Kaffeeröster ausgetrocknet hat, so kann man diese dann getrost in der Gewürzmühle malträtieren denn diese enthält fast gar keine Partikel des Mehlköpers mehr. Nach 3-5 Minuted in einer Hochgeschwindigkeits Gewürzmühle -- üblich sind 28-30 Tausend U/min und vier rotierende Messer so erhält man ein ganz feines Kleiepulver mit einer Partikelgröße unter 250-300 µm.

Man mischt dieses Pulver dann in das Mehl zurück und erhält so ein superfeines Vollkornmehl.

Ich habe mit dieser Methode sowohl Dinkel- als auch Weizenvollkornmehle nachbehandelt um extra-feines (99.7% < 595 µm) und super-feines (99.7% < 250 µm) zu produzieren.

Das Dinkelmehl importiere ich aus Deutschland (Dinkelhof Horstmann) und das Weizenmehl ist aus Hokkaido (Yokoyama Milling Co, Kitanokaori mit 14% Proteingehalt).

Die super-feinen VK-Mehle sind mit bloßem Auge und Fingergefühl von dunklen Mehltypen T1600 (AT) oder T150 (F) nicht unterscheidbar. Im Teig kann man aber ein paar kleine braune Pünktchen sehen weil die Kleieteile bei Wasseraufnahme aufquellen.

Die Teige haben eine unglaubliche Wasseraufnahmekapazität und durch den höheren Proteingehalt bilden sie ein Klebergerüst von phänomenaler Stärke und Elastizität.

Man gibt 85% Wasser hinzu und denkt daß der Teig wohl gerade richtig sei, aber nach einer Stunde Ruhezeit wenn er das Wasser besser aufgenommen hat merkt man daß man durchaus den Wasseranteil auf 95 oder gar 100% erhöhen kann.

Bei kalter Übernachtgare mit 85 und 90% Wasseranteil war der Teig am folgenden Tag so fest, daß er selbst nach einer Stunde Ruhe auf dem Tisch immer noch die rechteckige Form der Plastikbox hatte in der er über Nacht gereift wurde.

Die resultierenden Brote haben ein tolles Volumen, von Broten mit Auszugsmehlen kaum zu unterscheiden, wenn überhaupt. Die Krume ähnelt der eines Schweizer Ruchbrotes, und ist sehr locker und saftig. Beim Dinkelbrot ist es unmöglich am Brot festzustellen daß es sich um ein 100%iges Vollkornbrot handelt, und beim Weizenbrot ist lediglich die dunkle Farbe ein Indiz, nicht aber die Konsistenz und Saftigkeit.

So, in Zussammenfassung: Ein absolutes Ja. Es macht einen Riesen-Unterschied wenn man sich die Mühe macht das Vollkornmehl feiner zu machen. Es ist zwar mit erheblichem Aufwand verbunden, die Qualität des resultierenden Brotes ist es aber Wert.

Die Siebe die man hierzu benötigt sind

(1) 20 mesh -- 840 µm
(2) 24 mesh -- 710 µm
(3) 30 mesh -- 595 µm (für extra-feines VK Mehl)
(4) 60 mesh -- 250 µm (für super-feines VK Mehl)

Man könnte natürlich ein 35 mesh Sieb nehmen (500 µm) aber diese sind hier in Japan schwer zu finden, so habe ich mit einem 30er Vorlieb nehmen müssen.

[quote="Forticus"]Argh ... es war schon spät.
Ein 180 my Sieb gibt es als Laboreinrichtung unter der Bezeichnung Kressner Sieb.
Ich hätte die Möglichkeit, da beruflich dran zu kommen, aber auch dann kostet es gut dreistellig.
Zudem sind das Ringe mit Siebeinlagen und laut meiner GöGa mogelt sich ein Teil des Siebgutes am Rande durch.
Bleibt die Frage, ob jemand eines kennt, das aus einem Stück ist, und/oder Erfahrung damit hat.[/quote]

Für das Verfeinern von Vollkormehl benötigst Du vor allem Siebe mit größeren Maschenweiten um Kleie, Kleie/Grieß und Mehl voneinander zu trennen und dann die Kleie und Kleie/Grieß Fraktionen separate zu behandeln. Für Details siehe meinen ausführlichen Beitrag weiter oben.

Dazu empfehle ich zwei grobe Maschengrößen (20 und 24 mesh, entsprechend 840 und 710 mikron) für die grobe Kleiefraktion, und mittere und feinere Maschengrößen (30/35 und 60 mesh, entsprechend 595/500 und 250 mikron) für die Fein-Kleie/Grießfraktion.

Diese Maschengrößen sind hier in Japan noch handelsüblich (mit ein wenig Suchen), ich weiß aber nicht wie die Situation mit Sieben in Deutschland aussieht.

Ich habe mir bei Alibaba Express in China ein Test-Sieb Sortiment (für Chemielabore bestimmt) bestellt. Diese sind 20 cm Durchmesser. Es gibt dort aber auch größere Durchmesser. Der Hersteller bietet unzählige Maschengrößen an von mehreren Millimetern bis zu zweistelligen Mikron Größen. Ich habe dort 15 Siebe mit allen Standardgrößen von mesh 18 (=1mm) bis hin zu mesh 80 (=0.2mm) bestellt. Die Siebe kosten etwa 4-5 USD pro Stück. Mit Versand nach Japan kostet mich dieses 15 Siebe Sortiment etwa 100 EUR. Versand mit EMS, dauert etwa 2 Wochen.

Es gibt zahlreiche Hersteller dort. Einfach bei Alibaba Express nach "test sieve" suchen.

Grüße aus Japan
Benjamin
Zuletzt geändert von benjamin am Mo 30. Aug 2021, 12:56, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon Roggenvollkorn » Mo 30. Aug 2021, 10:03

Merci. Ich muss wohl mal Siebe kaufen, das lohnt sich bei den Weizenbrötchen sicher.
Liebe Grüße, Ulrich
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Mo 30. Aug 2021, 12:40

[quote="Durchhaltebemmchen"]Vollkornmehl bleibt Vollkornmehl, auch wenn du noch so fein siebst. Das wird nicht heller.[/quote]

Es wird zwar kein Typenmehl daraus, aber VK-Mehl wird schon heller je feiner man siebt.

Wenn man die ausgesiebte Fraktion entfernt, so wird es deshalb schon heller weil die dunkleren Partikel nicht mehr darin enthalten sind.

Und wenn man die ausgesiebte Fraktion nochmal nachmahlt und wieder zumischt, so wird es deshalb heller weil die dunkleren Partikel kleiner und kleiner werden und dann nicht mehr so sehr auffallen.

Ich weiss nicht ob und wie man hier auf diesem Forum Fotos einstellen kann, aber ich kann ein Foto zeigen mit zwei Häufchen VK-Weizenmehl die sich nur durch den Feinheitsgrad der Partikel unterscheiden (595 vs 250 mikron) und das feinere Mehl ist sehr deutlich heller.

Natürlich wird es dadurch nicht zum Typenmehl, aber besser Backergebnisse kann man damit schon erzielen.
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon Espresso-Miez » Mo 30. Aug 2021, 13:23

benjamin hat geschrieben:Ich weiss nicht ob und wie man hier auf diesem Forum Fotos einstellen kann...

Nach 10 Text-Beiträgen wirst Du freigeschaltet, um Fotos einzustellen. Nachzulesen in der Netiquette.

die Miez
Viele Grüße,
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Mo 30. Aug 2021, 13:30

[quote="Espresso-Miez"][[/quote]
Nach 10 Text-Beiträgen wirst Du freigeschaltet, um Fotos einzustellen. [/quote]

Danke für die Info. Ich werde das Foto dann nachliefern. ;-)
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon hansigü » Mo 30. Aug 2021, 14:39

Hallo Benjamin,
herzlich Willkommen im Forum!
Da hast du dir ja große Mühe gegeben und einen langen Artikel zum Thema verfasst.
Aber das Roggen kein Gluten enthält, stimmt nicht!
Deshalb darf es von Menschen mit Zöliakie oder anderen Glutenunverträglichkeiten nicht gegessen werden.
Es spielt bei der Entwicklung des Gebäckvolumens keine Rolle, das ist richtig!
Hier dazu ein älterer Artikel von Prof. Lindhauer vom Max Rubner Institut in Detmold.
Ich backe seit einigen Jahren mit den Vollkornmehlen der Urkornpuristen welches sehr fein vermahlen ist. Beim Durchsieben bleiben keine Rückstände im Sieb. Und die Vollkormbrote haben eine tolle Krume! Und man glaubt fast nicht, dass es ein Gebäck aus Vollkornmehl ist.
Gruß Hansi


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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Mo 30. Aug 2021, 19:46

[quote="hansigü"]
Aber das Roggen kein Gluten enthält, stimmt nicht!
[/quote]

Roggen hat KEINE glutenbildenden Proteine. Damit bildet sich in einem reinen Roggenteig auch kein Gluten. Das kann man in der Fachliteratur auch nachlesen.

Gluten ist ein Hydrogel aus Gliadinen, Gluteninen und Wasser. Gliadine und Glutenine kommen nur in Weizenarten und Weizenhybriden vor. Gliadine sind per Definition die Prolamine des Weizens, und Glutenine sind per Definition die Gluteline des Weizens.

Prolamine werden all die Proteine genannt welche in alkoholischer Lösung lösbar sind. Gluteline werden all die Proteine genannt welche in saurer oder basischer Lösung lösbar sind. Diese Klassifizierung geht auf Osborne zurück (On the Plant Proteins, 1905).


[quote="hansigü"]
Deshalb darf es von Menschen mit Zöliakie oder anderen Glutenunverträglichkeiten nicht gegessen werden.
[/quote]

Es gibt da in der Tat Verwirrung. Dies kommt daher daß die Mediziner die Immunogene welche bei Zölliakie-Leidenden Symptome auslösen FÄLSCHLICHERWEISE mit Gluten identifizieren.

Die gluten-bildenden Proteine (Gliadine und Glutenine) enthalten zwar immunogenische Peptide die bei Zölliakie-Leidenden Symptome auslösen (oder zumindest auslösen können), solche immunogenischen Peptide sind aber EBENSO in den Prolaminen und Glutelinen von Roggen (Secaline und Secalenine), Gerste (Hordeine und Hordenine), Hafer (Avenine) und Mais (Zeine) enthalten und diese sind NICHT gluten-bildend.

Peptide nennt man Moleküle von diversen Aminosäuren wenn diese als Bausteine in Proteinen vorkommen. Diverse solcher Peptide in den Prolaminen und Glutelinen des Weizens, des Roggens, der Gerste, des Hafers und des Mais sind als immunogenisch für Zölliakie identifiziert worden.

Die immunogenischen Peptide im Weizen sind potenter als diese im Roggen und der Gerste, welche widerum potenter sind als diese des Hafers, welche widerum potenter sind als diese des Mais. Beim Hafer entwickeln nur etwa 9% aller Zölliakie-Leidenden Symptome, beim Mais sind es sogar nur 1%. Im Labor kann man aber immer eine Immunoreaktion in-vitro nachweisen.

Als eine Verbindung zwischen Zölliakie und Weizen in den 50er Jahren zuerst erkannt wurde, so haben die Mediziner zunächst nur die Gliadine als Immunogen-Träger vermutet und so hat man dann Gluten als immunogenisch ausgewiesen.

Zuvor sind die meisten Zölliakie-Leidenden in der Kindheit gestorben. Nachdem eine Weizenfreie Diät als Behandlung eingeführt wurde haben diese dann überlebt und als diese Überlebenden dann Roggenbrot aßen und Bier tranken, so haben sie dann auch Symptome entwickelt.

Die Mediziner haben dann gesagt "Oh, da musß dann wohl Gluten im Roggen und in der Gerste sein" und somit war der Verwirrung freier Lauf gesetzt.

Das ist etwa so als würde man einen Patienten der mit Arsen vergifteten Kaffee getrunken hat mit Kaffeevergiftung diagnostizieren und wenn man dann später bei einem anderen Patienten der mit Arsen vergifteten Tee getrunken hat die gleiche Synptomatik beobachtet dann Tee als Kaffeehaltig deklariert.

Die korrekte Vorgehensweise wäre gewesen dem Immunogen einen generischen Namen zu geben wie es eigentlich in der Medizin üblich ist. Zum Beispiel heissen Krebserregende Stoffe Carcinogene. Das macht Sinn weil man ja nicht wissen kann welche Stoffe man später noch findet die in die gleiche Gruppe fallen. Bei den Immunogenen die Zölliakie-Symptome verursachen wäre der korrekte Name laut medizinischer Nomenklatur eigentlich *Zölliakogen*.

In der Fachliteratur haben die Forscher in den letzten Jahren versucht diese Verwirrung zu umgehen indem sie die Begriffe Gluten und Dietätisches Gluten verwenden.

Mit Gluten ist das wirkliche Gluten gemeint, das Hyrdogel das von Gliadinen und Gluteninen in der Anwesenheit von Wasser gebildet wird.

Mit Dietätischem Gluten sind die immunogenischen Peptide gemeint welche bei Zölliakie-Leidenden Symptome auslösen.

Die Mediziner und Ernährungsfachleute benutzen aber nach wie vor den Begriff Gluten als Platzhalter für alle Stoffe welche immunogenisch für Zölliakie-Leidende sind.

Und die Sache ist noch verwirrdender wenn man die Juristen dazu nimmt. Denn Juristisch muß man die für Zölliakie-Leidenden immunogenischen Stoffe als Gluten ausweisen je nach Gutdünken der Parlamentarier und deren Lobbyisten.

So hat in den USA die Agrar-Lobby durchgesetzt daß Mais nicht als Glutenhaltig ausgewiesen werden muss obwohl er nachweislich Zölliakie immunogenische Peptide enthält. Aber eben keine Gluten-bildenden Proteine, so haben die dann eine negative PR für ihren Cash-Crop verhindern können. Ähnlich verwirrend ist die Lage mit Hafer, wo er je nach Land als Glutenhaltig ausgewiesen werden muß oder nicht. Dort hat man sich darauf geeinigt die Sache auf eine Vermischung mit Weizenrückständen zu schieben wenngleich aber Zölliakie immunogenische Peptide in den Proteinen des Hafers vorkommen.

[quote="hansigü"]
Ich backe seit einigen Jahren mit den Vollkornmehlen der [url=https://urkornpuristen.de/]Urkornpuristen[/url] welches sehr fein vermahlen ist. Beim Durchsieben bleiben keine Rückstände im Sieb.
[/quote]

Toll. Was für eine Maschengröße hat dein Sieb?

[quote="hansigü"]
Und die Vollkormbrote haben eine tolle Krume! Und man glaubt fast nicht, dass es ein Gebäck aus Vollkornmehl ist.[/quote]

In der Tat, das ist auch meine Erfahrung, auch wenn ich die VK-Mehle selbst nachbearbeite.

Wenn die Mühlen extra-feines VK-Mehl anbieten würden und die Bäcker dann entsprechendes VK-Brot backen und anbieten, so würde sich der Anteil von konsumierten VK Broten sicherlich erheblich erhöhen.

Vielleicht benötigen wir eine Typisierung von VK-Mehlen welche auf Partikelgröße und Partikelgrößen-Verteilung basiert.

Aber das käme auch nur Zustande wenn die Mühlen da mitmachen.

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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon hansigü » Mo 30. Aug 2021, 20:14

benjamin hat geschrieben:Das kann man in der Fachliteratur auch nachlesen.

Bist du so nett und benennst die Fachliteratur, würde mich interessieren. Habe ja auch meinen Kenntnisstand belegt und da steht nun mal das Roggeneiweiß über Gliadin- und Gluteninmoleküle verfügt.

Habe ein sehr feines normales Küchensieb, da bleiben bei selbstgemahlenem Mehl die Kleieteile hängen. Welche Maschengröße :ich weiß nichts
Ja, das wird sich wohl nicht durchsetzen, dass die Mühlen auf so feines Mahlverfahren umstellen, aber besser wäre es wohl für die Ernährung!
Gruß Hansi


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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Di 31. Aug 2021, 08:55

[quote="hansigü"][quote="benjamin"]Das kann man in der Fachliteratur auch nachlesen.[/quote]
Bist du so nett und benennst die Fachliteratur, würde mich interessieren. Habe ja auch meinen Kenntnisstand belegt und da steht nun mal das Roggeneiweiß über Gliadin- und Gluteninmoleküle verfügt.

Habe ein sehr feines normales Küchensieb, da bleiben bei selbstgemahlenem Mehl die Kleieteile hängen. Welche Maschengröße :ich weiß nichts
Ja, das wird sich wohl nicht durchsetzen, dass die Mühlen auf so feines Mahlverfahren umstellen, aber besser wäre es wohl für die Ernährung![/quote]

Hallo, ich habe versucht zu antworten aber die Forum-Software gibt wiederholt SQL-Fehler aus:

Fehlermeldung und die Antwort in voller Länge habe ich bei Pastebin hinterlegt (für 6 Monate).

Dies ist bei

https://pastebin.com/YWZedRAT

einsehbar.
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon hansigü » Di 31. Aug 2021, 12:03

Benjamin, vielen Dank für die Mühe, das ist ja wirklich ziemlich verzwickt und als Laie, steigt man da ja nicht so einfach durch! :roll: :lala
Wenn du magst, dann kannst du dich ja auch im Willkommensfred vorstellen, das würde mich und denke ich alle freuen. Habe gerade in deinem Profil deine Seite entdeckt, das macht neugierig ;)
Gruß Hansi


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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Di 31. Aug 2021, 12:26

[quote="hansigü"]Benjamin, vielen Dank für die Mühe, das ist ja wirklich ziemlich verzwickt und als Laie, steigt man da ja nicht so einfach durch![/quote]

Das verwirrt oft sogar Experten. Auf der Meisterschule war haben wir bei einem der Dozenten gelernt daß Roggen keine gluten-bildenden Proteine enthält, der Dozent kam aus der Backbranche, und bei einer anderen Dozentin haben wir gelernt daß Roggen doch Glutenproteine enthalte, die Dozentin kam aus dem Ernährungsbereich.

Auf meine Nachfrage bei beiden kam die Antwort ...

Dozent #1: "Ich weiss so gut wie Nichts über Allergene und Nährstoffe, aber ich kann Ihnen 100%ig versichern daß Roggen keine glutenbildenden Proteine enthält".

Dozentin #2: "Ich weiss nichts über Backtechnologie, aber ich kann Ihnen 100%ig versichern daß Roggen per Gesetz als glutenhaltig gekennzeichnet werden muß".

Niemand war in der Lage die Wiedersprüchliche Information zu erklären. Ich benötigte etwa ein Jahr Studium von Lebensmittelchemie um Licht in die Materie bringen zu können.

[quote="hansigü"]
Wenn du magst, dann kannst du dich ja auch im Willkommensfred vorstellen, das würde mich und denke ich alle freuen. Habe gerade in deinem Profil deine Seite entdeckt, das macht neugierig ;)[/quote]

Schau' ich mir mal an.

Grüße aus Japan
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Re: Mehlsieb 180 my bzw. 0,18 mm

Beitragvon benjamin » Mo 6. Sep 2021, 15:25

benjamin hat geschrieben:
Espresso-Miez hat geschrieben:Nach 10 Text-Beiträgen wirst Du freigeschaltet, um Fotos einzustellen.

Danke für die Info. Ich werde das Foto dann nachliefern. ;-)


Also hier das versprochene Foto mit VK-Mehl in verschiedenen Feinheitsgraden:


Bild

Ganz Links ist das Vollkornmehl wie es im Einzelhandel hier erhältlich ist.

Ganz Rechts ist das gleiche Vollkornmehl, extra-fein, nur im Großhandel erhältlich.

Diese beiden Mehle werden auf einer Steinmühle gemahlen.

In der Mitte sind Mehle welche ich durch Nachmahlen des groben Vollkornmehls (ganz Links) hergestellt habe. Dazu habe ich das Mehl gesiebt und die im Sieb zurückgebliebene Fraktion nochmals nachgemahlen und das ganze wiederholt bis die übriggebliebene Menge zu gering war um noch weiter gemahlen zu werden.

Wie man erkennen kann wird bei steigendem Feinheitsgrad das Mehl deutlich heller obwohl alle Teile des Korns stets im Mehl enthalten sind. Das Mehl ganz Rechts hat zwar eine kleine Fraktion größerer Partikel als das Mehl links davon, die Mehlpartikel sind aber deutlich feiner. Daher ist die Farbe fast weiss wobei das Mehl links davon noch einen leichten gelblichen Ton hat.

Bei allen Mehlen wurde das gleiche Ausgangsmaterial vermahlen. Sie sind also bis auf den Feinheitsgrad von der Zusammensetzung her absolut identisch.

PS: Das Forum erlaubt eine maximale Pixelweite von nur 640 pixels, da musste ich das Foto runterskalieren und damit ist der Text nicht mehr lesbar. Ich mach mir aber jetzt nicht nochmal die Mühe das Foto zu editieren. Also hier der Inhalt:

Grob:
23.3% > 840 µm, 11% > 710 µm, 25.6% > 595 µm, 22.7% > 250 µm, 27.4% <= 250 µm

Fein:
0.3% > 595 µm, 99.7% <= 595 µm

Super-Fein:
0.3% > 250 µm, 99.7% <= 250 µm

Extra-Fein:
1% > 595 µm, 5% > 250 µm, 94% <= 250 µm
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