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Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

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Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Lilli2 » So 30. Jul 2023, 14:28

Hallo,

akute "ernährungsphysiologische" Frage zum Quellstück:

Ich weiche immer ganze Roggenkörner bei Raumtemperatur in Wasser ein für ca. 12-20 Std.
Nun war es sehr warm und da mir die Körner schon mal vergoren sind, habe ich sie direkt in den Kühlschrank gestellt, für nicht ganz 24 Std.

Leider erst nach dem Backen gemerkt, dass sie nicht genug verquollen waren: sie stellen sich als weiße Punkte im Anschnitt dar, sind allerdings nicht mehr hart und gut kaubar.

Vom nicht ganz so dollen Aroma abgesehen: Ist das Brot bedenkenlos verzehrbar bzw. ernährungsphysiologisch noch wertvoll? Oder muss man das als "rohes Getreide" betrachten, dessen Verzehr ja nicht unbedingt empfohlen wird (schlecht verdaulich, Stichworte: Stärke, Phytinsäure, Enzyme etc.)?

Hat hier jemand Ahnung?

Danke!
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Cerealix » So 30. Jul 2023, 14:57

Das Brot würde ich ohne Bedenken verzehren. :katinka
Die „Stippen“, die bei den meisten Backwaren als Brotfehler betrachtet werden,
sind beim Rheinischen Schwarzbrot ein Qualitätsmerkmal. :mrgreen:
Lieber auf neuen Wegen stolpern, als in den alten Bahnen auf der Stelle treten.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon lucopa » So 30. Jul 2023, 15:38

Lilli, eleganter würdest Du das Problem mit Kochen umschiffen. Ich nehme mal an, dass Du nicht mehr als 15% verquellen lässt. Ich köchle die Körner 60 Minuten für eine perfekte Verquellung und Konsistenz.
Allerdings wird das Thema Phytinsäure deutlich überbewertet. Phytinsäure hat z. B. unter anderem auch einen antikanzerogenen (besonders für den Darm) und antidiabetogenen Effekt. Das macht die ganze Bewertung doch etwas differenzierter. Bei einem deutlichen Mineralstoffmangel, der übrigens nur im Vollblut festgestellt werden kann, könnte man hier Sicherheit schaffen.

Absolut vernachlässigen könnte man die Phytinproblematik, wenn man den gesamten Teig als ÜNG führen würde.

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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon _xmas » So 30. Jul 2023, 15:46

Ich köchle auch statt verquellen zu lassen. Das funktioniert perfekt.

Zu deiner Frage: entweder (bedenkenlos) essen oder, wenn du dir unsicher bist, Altbrot herstellen und vermahlen.
Alle sagten: das geht nicht.
Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat´s einfach gemacht.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Nico » Do 3. Aug 2023, 17:49

Getreide stunden- oder gar tagelang bei Zimmertemperaturen quellen zu lassen, ist prinzipiell keine gute Idee. Auch wenn nichts vergärt. Denn Gärung durch Hefen und Milchsäurebakterien ist prinzipiell harmlos. Gefahr sind vor allem bakterielle Endosporen wie z.B. Bacillus cereus oder Staphylococcus aureus. Die keimen munter aus und bilden sogar hitzestabile Toxine. Die bemerkt man sensorisch nicht und überleben den Backprozess problemlos. Folge sind fiese Lebensmittelvergiftungen, die problemlos vermeidbar sind. Faustregel immer heiß halten (über +65°C) oder kalt (unter +5°C) und die Phase dazwischen blitzschnell durchschreiten. Unter solchen Bedingungen keimen die Sporen nicht aus. Das Getreide vorher Köcheln, ist aus mikrobieller Sicht eine ganz gute Methode.

Dinge wie Brot oder Nudeln sind als Quelle für Lebensmittelvergiftungen zwar nicht typisch, aber durchaus möglich. Bei den ganzen Turbobackwaren besteht eh kaum Gefahr, weil die Toxinbildner Zeit brauchen, um genügend Toxine zu bilden.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Lilli2 » Do 10. Aug 2023, 16:54

Hallo,

danke für die schnellen und hilfreichen Antworten!

Ich habe das Brot gegessen, die Körner waren ja nicht mehr hart, es hat aber geschmacklich SEHR gelitten.

@Cerealix: Das wusste ich nicht. Wie werden da die Körner vorbereitet? Auch nur verquollen? Ich glaube, bei manchen Arten Pumpernickel habe ich auch schon diese weißen Punkte gesehen...

@Manfred: Kochen wäre noch ein zusätzlicher Arbeitsschritt, der Aufwand - auch: Energie! - würde sich massiv vergrößern, dazu bin ich zu faul :)
Das Einweichen mache ich parallel mit dem Sauerteig ansetzen am Vortag. Und ich bin mit dem Ergebnis bzw. Körnerkonsistenz eigentlich sehr zufrieden...
15% von was? Mehlmenge 500g, Körner 200-220g
Phytinsäure: Hier scheint es tatsächlich Uneinigkeit zu geben ob gut oder schlecht...aber es geht auch um andere Aspekte, grundsätzlich soll "rohes" Getreide nicht gut für Darm/Verdauung/Mikrobiom sein...

@Nico: Ich muss zugeben, dass ich die (Bio)Körner bislang nicht mal gewaschen/gespült habe vor und nach dem Einweichen, aber das wollte ich ohnehin ändern...
Können sich diese "bösen" Bakterien nicht auch im Mehl finden und hätte man dasselbe Problem dann nicht auch beim Sauerteig? Ist doch derselbe Vorgang: Wasser zufügen, stehen lassen. Ich glaube nicht, dass ungemahlenes Getreide, das man im Handel kaufen kann, anders gereinigt wird als das was vor Verkauf vermahlen wird?
Zudem: Für Keimlinge lässt man die Körner ja auch mehrere Tage stehen, auch wenn sie zwischendurch gespült werden.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Nico » Do 10. Aug 2023, 17:27

Lilli2 hat geschrieben:@Nico: Ich muss zugeben, dass ich die (Bio)Körner bislang nicht mal gewaschen/gespült habe vor und nach dem Einweichen, aber das wollte ich ohnehin ändern...
Können sich diese "bösen" Bakterien nicht auch im Mehl finden und hätte man dasselbe Problem dann nicht auch beim Sauerteig? Ist doch derselbe Vorgang: Wasser zufügen, stehen lassen. Ich glaube nicht, dass ungemahlenes Getreide, das man im Handel kaufen kann, anders gereinigt wird als das was vor Verkauf vermahlen wird?
Getreide ist ein Naturprodukt und wird vor dem Verkauf nicht gereinigt. Weder als Getreidekörner noch als Mehl. Daher sind die ganzen Sporen natürlich auch im Mehl. Bakterielle Endosporen sind Dauerüberlebensformen, die erst auskeimen, wenn die Bedingungen dafür gut sind. Im Sauerteig passiert das kaum mehr, weil schon der pH-Wert zu niedrig ist. Bei einem Neuansatz besteht immer ein gewisses Risiko, daß auch sich auch erst mal ungewünschte Keime vermehren.

Lilli2 hat geschrieben:Zudem: Für Keimlinge lässt man die Körner ja auch mehrere Tage stehen, auch wenn sie zwischendurch gespült werden.

Jo, deshalb würde ich die auch nicht roh essen. Sprossen sind ein ähnliches Problem wie Schlamperei mit Hackfleisch. Die EHEC-Epidemie 2011 mit vielen Schwerstkranken, Toten und Menschen, die -wenn sie nicht gestorben sind- heute noch an der Dialyse hängen oder auf eine Niere warten, war kein unvermeidbarer Zufall, sondern so sicher wie das Amen in der Kirche, daß das irgend wann passiert. Und es wird wieder passieren, weil die breite Masse nichts daraus gelernt hat.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon lucopa » Do 10. Aug 2023, 17:33

Lilli, bei Prozentangaben beziehen wir uns immer auf die Gesamt-Mehlmenge (Bäckerprozente).
In Deinem Fall also 75 g. 125 g hielte ich schon für sehr unharmonisch. 50 g Saaten zusätzlich könnte ich mir aber gut vorstellen.

Durch das Köcheln erhältst Du halt eine wesentlich bessere Bekömmlichkeit und natürlich einen angenehmeren Biss.

In der Forschung gibt es bezüglich Phytinsäure keine große Uneinigkeit. Die wichtigsten Aspekte habe ich genannt.

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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Lilli2 » Sa 12. Aug 2023, 17:16

lucopa hat geschrieben:Lilli, bei Prozentangaben beziehen wir uns immer auf die Gesamt-Mehlmenge (Bäckerprozente).
In Deinem Fall also 75 g. 125 g hielte ich schon für sehr unharmonisch. 50 g Saaten zusätzlich könnte ich mir aber gut vorstellen.

Durch das Köcheln erhältst Du halt eine wesentlich bessere Bekömmlichkeit und natürlich einen angenehmeren Biss.

In der Forschung gibt es bezüglich Phytinsäure keine große Uneinigkeit. Die wichtigsten Aspekte habe ich genannt.

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Hallo Manfred,
ich möchte ein körniges Brot im Sinne eines Korn an Korn. Dafür ist die Menge fast noch zu niedrig. Man könnte natürlich alternativ mit grobem Schrot arbeiten, aber vom "Mundgefühl" finde ich persönlich die ganzen Körner einfach besser.

Bezügl. Phytinsäure hätte ich mich anders ausdrücken sollen: Die Forschung ist hier noch nicht sehr weit, die Erkenntnisse sind nicht gesichert. Es gibt offenbar Vor- und Nachteile, und diese werden unterschiedlich bewertet. Beispiel: Antikanzerogene Wirkung versus Absorption von Nähr-/Mineralstoffen.
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon Lilli2 » Sa 12. Aug 2023, 17:42

Nico hat geschrieben:Getreide ist ein Naturprodukt und wird vor dem Verkauf nicht gereinigt. Weder als Getreidekörner noch als Mehl. Daher sind die ganzen Sporen natürlich auch im Mehl. Bakterielle Endosporen sind Dauerüberlebensformen, die erst auskeimen, wenn die Bedingungen dafür gut sind. Im Sauerteig passiert das kaum mehr, weil schon der pH-Wert zu niedrig ist. Bei einem Neuansatz besteht immer ein gewisses Risiko, daß auch sich auch erst mal ungewünschte Keime vermehren.


Meines Wissens wird Getreide bei und nach der Ernte - also vor weiteren Verarbeitungsprozessen - sehr wohl gereinigt = von grobem und feinem Schmutz befreit. Sonst hätten wir ziemlich viele Fremdkörper im Mehl und auch in den Körnern...

Nico hat geschrieben:Jo, deshalb würde ich die auch nicht roh essen. Sprossen sind ein ähnliches Problem wie Schlamperei mit Hackfleisch.


Unabhängig von zu kurz/zu lang/zu kalt einweichen, harte/weiche Körner, mehrfach spülen ja/nein etc.: Von "roh" kann man insofern nicht sprechen, als am Ende immer noch ein Backvorgang mit ziemlich hohen Temperaturen steht (da habe ich mich etwas falsch ausgedrückt). Ich denke, dass sich dadurch auch die "bakteriellen Gefahren" stark reduzieren?

Es fällt mir etwas schwer zu glauben, dass ich ernsthaft krank werde, wenn ich die (ab jetzt vorher gespülten) Körner für (normalerweise) max. 12 Std. bei (normalerweise) Zimmertemperatur in kaltem Wasser einweiche (und sie ab jetzt auch nochmal gut abwasche vor Zugabe in den Teig).
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Re: Körner nicht genug verquollen: Brot essbar?

Beitragvon lucopa » Sa 12. Aug 2023, 18:40

Lilli, nicht nur eine antikanzerogene Wirkung sondern eine cholesterinsenkende und antidiabetogene Wirkung. Die kritische Presse zur Phytinsäure kommt natürlich aus einer bestimmten Richtung, die alles andere dafür berühmt ist, dass sie gesunde Nahrungsmittel produziert bzw. propagiert. Teilweise resultiert diese Kritik aber auch auf die fast schon religiös-fanatische Vollkornjüngerschaft die bei manchen Adepten anzutreffen ist. Ich möchte nicht verhehlen, dass das auch bei mir zu gewissen Aversionen Anlass geben kann. Letztendlich bin ich aber selber ein begeisterter Vollkornbäcker. Unbestritten haben Vollkornprodukte gesundheitliche Vorteile; aber mit Ausnahmen.

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