Go to footer

Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Hier kannst Du als Anfänger alles fragen, was zum Brotbacken gehört.

Moderatoren: hansigü, Espresso-Miez, Lenta


Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon black-bear » Di 30. Nov 2021, 14:36

Hallo zusammen,

ich backe eigentlich alle meine Brote aus reinem Vollkornmehl, einfach aus dem Grund, da ich von Weizen-, Roggen- und Dinkelkörnern jeweils 25kg Säcke kaufe und das Mehl dann selbst mahle.

Anfangs habe ich viele Rezepte aus dem Brotbackbuch Nr. 1 von Lutz Geißler gebacken und einfach jedes Mehl, egal welche Type, durch Vollkorn ausgetauscht. Im Gegenzug habe ich die Wassermenge immer um 10-15% erhöht. Trotzdem ist die Krume bei meinen Broten viel dichter und kompakter geworden. Nun bin ich dazu übergegangen, dezidiert nach Rezepten mit möglichst hohem Vollkornanteil bzw. hoher Mehltype zu suchen, und bin auch oft hier im Forum fündig geworden. Doch auch hier wird meine Krume nicht so locker und großporig, sondern bleibt kompakter und dichter/feinporiger.

Meine Fragen:
1) Dass das selbstgemahlene Mehl nicht so fein wird wie ein gekauftes Vollkornmehl ist mir klar. Aber wie groß ist der Unterschied, kann das so eine große Auswirkung haben?
2) Die Typisierung der Mehle ist mir bekannt und einleuchtend. Aber welchen Unterschied macht es, eine Type 812 oder 1050/1150 mit einem Vollkornmehl zu ersetzen? Ich weiß, ich könnte einfach ein 1150er Mehl kaufen und das selbe Rezept erneut backen, aber erstmal würden mich eure Erfahrungen interessieren.

Schöne Grüße
Lena
black-bear
 
Beiträge: 64
Registriert: Di 28. Sep 2021, 08:03


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon hansigü » Di 30. Nov 2021, 21:18

Hallo Lena,
selbstgemahlenes Vkm ist natürlich grober als das handelsübliche aus der Industriemühle oder vom Handwerksmüller. Denn dort wird das Getreide erst einmal in seine einzelne Bestandteile zerlegt und am Ende wieder zusammengefügt.
Nun kommt es darauf an wie fein die Kleie in der Mühle gemahlen wird. Das macht schon was aus, wie fein das Vollkornmehl gemahlen ist.
Ich backe sehr viel mit den Mehlen der Urkornpuristen. Das VKM ist so fein vermahlen, dass beim Durchsieben nichts im Sieb übrig bleibt und das macht sich in der lockeren Krume der Brote bemerkbar!
Du könntest z.B. bei deinem selbstgemahlenem Mehl, die Kleie aussieben und diese im Blender, Kaffeemühle etc. feiner mahlen und wieder zufügen oder als Quellstück ansetzen und dem Teig zufügen.
Unser Mitglied Benjamin hat dazu diesen Beitrag verfasst, vielleicht interessant für dich!
Wie du ja selber schon festgestellt hast, macht es schon einen großen Unterschied Typenmehl durch VKM zu ersetzen.
Gruß Hansi


In der Not isst der Bauer die Wurs(ch)t auch ohne Brot!
Benutzeravatar
hansigü
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 11570
Registriert: So 19. Jun 2011, 20:42


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon black-bear » Di 30. Nov 2021, 22:29

Hallo,

das mit dem Aussieben der Kleie und Shreddern dieser bzw. verquellen ist eine gute Idee. Danke für den Link zum Beitrag von benjamin, das werd ich mir morgen in Ruhe ansehen.
Dass es einen Unterschied macht, ob man T550 oder Vollkornmehl verwendet war mir bewusst, aber ich kann schlecht einschätzen, wie groß der Unterschied ist von T1150 zu Vollkorn. Ich habe nun gelesen, dass Vollkorn umgerechnet ca. eine Type von 1700 hätte, das wäre dann doch nochmal ein ganzes Stück höher als T1150. Ich habe gedacht, vielleicht ist T1150 eh schon quasi wie Vollkorn..
black-bear
 
Beiträge: 64
Registriert: Di 28. Sep 2021, 08:03


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon Espresso-Miez » Mi 1. Dez 2021, 08:31

Zwischen Roggen-Vollkorn und R1150 gibt´s auch noch das R1370 .

Die verwendeten Mehltypen machen einen Unterschied im Charakter des Brotes. Nicht so deutlich bei kleinen Mengen, wenn etwa 20% Roggen Type xy an ein bestimmtes Rezept kommen, aber so grundsätzlich schon.
Ich mag die Abwechslung. Mal helle Brötchen, Toast, Baguette, aber auch 100% Vollkorn mit Schrot, Flocken und Saaten. Diese Brote profitieren von verschiedenen Vorstufen bei der Teigbereitung, damit das selbst gemahlene "Mehl"/Feinschrot ausreichend Zeit hat zum Verquellen.

die Miez
Viele Grüße,
die Miez
Espresso-Miez
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2645
Registriert: Fr 13. Dez 2013, 09:24


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon Towanda » Mi 1. Dez 2021, 09:26

Ein weiterer Unterschied von VK zu Typenmehl ist, daß bei Typenmehl immer der Keim entfernt wird, der ja im Vollkornmehl enthalten ist.

Gruß, Towanda
Towanda
 
Beiträge: 114
Registriert: Mo 1. Nov 2021, 08:51


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon Hobbybäcker14 » Mi 1. Dez 2021, 10:51

Towanda hat geschrieben:.. daß bei Typenmehl immer der Keim entfernt wird, der ja im Vollkornmehl enthalten ist.

Stimmt. Ich frag' mich nur schon lange, wie da der Keim aus jedem einzelnen Korn entfernt wird (die Maschine tät ich gern sehen...).

LG
Reinhard
Hobbybäcker14
 
Beiträge: 464
Registriert: Mi 14. Jan 2015, 15:55


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon Espresso-Miez » Mi 1. Dez 2021, 12:29

Ich erinnerte mich, dass wir vor einiger Zeit schon mal über Selbstgemahlen vs. Gekauft diskutiert haben: click!
Incl. Link zum Mühlenforum (für Interessierte wie Hobbybäcker14), auch wenn ich gerade nicht widergeben kann, was ich dort alles gefunden hatte :lala

die Miez

@Towanda: Du hast die 10 Beiträge beisammen, jetzt freuen wir uns auf Bilder!
Viele Grüße,
die Miez
Espresso-Miez
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2645
Registriert: Fr 13. Dez 2013, 09:24


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon black-bear » So 5. Dez 2021, 20:36

Kann man Vollkornmehl und helles Mehl (405er, 550er) mischen und damit ein Mehl mit einer Type von etwa 1000 ausgleichen?
black-bear
 
Beiträge: 64
Registriert: Di 28. Sep 2021, 08:03


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon hansigü » So 5. Dez 2021, 20:48

Bei mipano gibt´s diesen Mehltypenrechner!
Gruß Hansi


In der Not isst der Bauer die Wurs(ch)t auch ohne Brot!
Benutzeravatar
hansigü
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 11570
Registriert: So 19. Jun 2011, 20:42


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon lucopa » Mo 6. Dez 2021, 00:27

@black-bear,

die meisten meiner Brote bestehen aus ca. 50% VKM und 50% 1050er oder/und 1150er.
Wenn Du über 30% Roggenmehl verwendest, dann muss natürlich mit ST gearbeitet werden.
Ein Beispiel:https://brotbackforum.iphpbb3.com/forum/viewtopic.php?nxu=77934371nx46130&f=3&t=9491&p=199097&hilit=rustikale+bauernkruste#p199097
Manfred
Nachbar fragt: "Hast Du Dein Heu schon hereingeholt?". Bauer antwortet: "Ich hab's noch nicht einmal hinaus gebracht".
Benutzeravatar
lucopa
 
Beiträge: 1665
Registriert: So 12. Okt 2014, 10:31


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon benjamin » Do 3. Mär 2022, 22:32

Hobbybäcker14 hat geschrieben:
Towanda hat geschrieben:.. daß bei Typenmehl immer der Keim entfernt wird, der ja im Vollkornmehl enthalten ist.

Stimmt. Ich frag' mich nur schon lange, wie da der Keim aus jedem einzelnen Korn entfernt wird (die Maschine tät ich gern sehen...).


Die Maschinen dazu sind (1) Walzenmühlen und (2) Plansichter.

Dabei ist aber das Verfahren maßgeblich. Bei Walzenmühlen wird ausschliesslich das Hochmüllerei-Verfahren verwendet. Dabei werden mehrere Walzenmühlen mit abnehmenden Walzenabständen benutzt. Nach jedem Walzen-Durchgang geht das Mahlgut durch einen Plansichter mit SIeben unterschiedlicher Maschengröße. Beim ersten und zweiten Walzenpaar ist der Walzenabstand so eingestellt das das Korn in relative große Brocken zerbricht. Dabei fällt der Keim heraus. Dieser lässt sich dann im Plansichter mit einem Sieb mit einer Maschengröße von etwa 220 Mikron heraussieben. Was wesentlich größer ist geht zum nächsten Walzenpaar und wird nochmals gebrochen. Was kleiner ist geht zu Walzenpaaren weiter in der Kette je nach Größe. Die Keime werden aber nicht weiter zerkleinert.

Der Hochmüllerei steht die Flachmüllerei gegenüber. Bei diesem Verfahren wird das Mehl in einem einzigen Durchgang hergestellt. Dies wird ausschliesslich bei Steinmühlen und Hammermühlen verwendet. Da läßt sich der Keim dann nicht heraussieben.

Es ist vielleicht noch interessant daß die Hochmüllerei bereits vor der Einführung der Walzenmühle mit Steinmühlen praktiziert wurde. Dazu wurden mehrere Steinmühlen mit zunehmend geringeren Mahlsteinabständen verwendet. Dieses Verfahren führte dann schließlich zur Entwicklung von Walzenmühlen weil sich mit Walzen mehr Präzision erreichen läßt. Das Herrausbrechen und Herraussieben des Keims ist mit Steinmühlen auch mit Hochmüllerei-Verfahren sehr schwierig und ungenau.

LG, benjamin
Respectus Panis — Respekt dem Brot
benjamin
 
Beiträge: 104
Registriert: Mo 30. Aug 2021, 06:20
Wohnort: Tokyo, Japan


Re: Hohe Mehltype vs. Vollkorn vs. Vollkorn selbstgemahlen

Beitragvon benjamin » Do 3. Mär 2022, 23:27

black-bear hat geschrieben:Trotzdem ist die Krume bei meinen Broten viel dichter und kompakter geworden. Nun bin ich dazu übergegangen, dezidiert nach Rezepten mit möglichst hohem Vollkornanteil bzw. hoher Mehltype zu suchen, und bin auch oft hier im Forum fündig geworden. Doch auch hier wird meine Krume nicht so locker und großporig, sondern bleibt kompakter und dichter/feinporiger.

1) Dass das selbstgemahlene Mehl nicht so fein wird wie ein gekauftes Vollkornmehl ist mir klar. Aber wie groß ist der Unterschied, kann das so eine große Auswirkung haben?


Absolut ja. Die Partikelgröße macht einen Riesenunterschied.

Das hat auch mit Vollkorn oder Nicht-Vollkorn gar nichts zu tun.

Was Heutzutage als "Vollkornmehl" verkauft wird ist gar kein Mehl. Nach DIN 10355 ist ein Mahlprodukt ein Mehl wenn mindestens 90% der Partikel nicht größer als 150 Mikron (=0.15mm) und die restlichen Partikel nicht größer als 300 Mikron (=0.3mm) sind. Die Handelsüblichen Mehle haben oft nur 25%-30% Mehlanteil und der Rest ist Grieß und Grütze.

Nun stelle Dir einmal vor Du würdest mit 1/3 Grütze, 1/3 Grieß und 1/3 Mehl ein Brot backen. Denkst Du daß dieses Brot locker und luftig wird? Wohl kaum. Das ist mit 1/3 Vollkorn-Grütze, 1/3 Vollkorn-Grieß und 1/3 Vollkornmehl auch nicht anders.

Man benötigt ein echtes Vollkornmehl, also ein Vollkornmahlprodukt bei dem mindestens 90% der Partikel nicht größer als 150 Mikron sind und der Rest Dunst ist (150-300 Mikron). Es geht auch zur Not noch mit bis zu 200 Mikron oder gar 250 Mikron aber das macht sich bereits bemerkbar.

Hinzu kommt dann noch die Tatsache daß die im Vollkornmehl befindlichen Schalenteile unheimlich durstig sind, sich aber ewig Zeit lassen das Wasser aufzunehmen. Die Wasseraufnahmefähigkeit ist so stark daß diese wenn sie erst einmal anfangen das Wasser aufzunehmen dann sowohl den Stärken als auch den Kleberproteinen das Wasser entziehen.

Und da die meisten Bäcker (ob Hobby- oder Berufs-Bäcker) heutzutage gewohnt nur einige wenige Stunden Stockgare zu machen so passiert das gerade wenn die Stärken und der Kleber das Wasser am dringendsten benötigt, nämlich bevor der Teigling in den Ofen gehen soll. Dadurch wird der Kleber und die Verkleisterung der Stärken geschwächt und das Brot wird dann fest und trocken.

Der Schlüssel ein lockeres, luftiges und saftiges Vollkornbrot zu backen ist:

(1) echtes Vollkornmehl (<=150 Mikron)
(2) sehr viel Wasser (90-98% Hydration)
(3) sehr lange Autolyse (8-12 Stunden) oder sehr lange Stockgare (24-48 Stunden)

Ausserdem hilft es mehrere Zyklen von Dehnen und Falten zu machen, ganz wie bei Nicht-Vollkorn. Diese sollte man aber idealerweise dann machen wenn der Teig bereits das Wasser aufgenommen hat.

Wenn man dies beachtet, so kann man auch mit Vollkornmehl schöne lockere und luftige Brote backen. In den folgenden Fotos ist ein Vollkornbaguette zu sehen welches mit echtem Vollkornmehl, 98% Hydration und 48 Stunden Gare hergestellt wurde.

Bild

Bild

black-bear hat geschrieben:2) Die Typisierung der Mehle ist mir bekannt und einleuchtend. Aber welchen Unterschied macht es, eine Type 812 oder 1050/1150 mit einem Vollkornmehl zu ersetzen? Ich weiß, ich könnte einfach ein 1150er Mehl kaufen und das selbe Rezept erneut backen, aber erstmal würden mich eure Erfahrungen interessieren.


Je höher die Typenzahl, desto höher der Schalenanteil und damit auch die Wasseraufnahmefähigkeit. Ausserdem sind Mehle vom Type 812 meist Hinter-/Nachmehle, und vom type 1050 immer Hinter-/Nachmehle. Ein Hintermehl ist ein Mehl bei dem das Vordermehl entfernt wurde. Ein Vordermehl ist ein Mehl das ausschliesslich aus dem innern des Mehlkörpers besteht, also einen sehr hohen Stärkeanteil aber einen sehr niedrigen Mineralstoff- und Ballaststoffanteil. Durch das Entfernen des Vordermehls wird die Wasseraufnahmefähigkeit besser. Dennoch ist die Wasseraufnahmefähigkeit bei T812 und T1050 wesentlich niedriger als bei Vollkornmehl.

Das Vollkornmehl enthält zudem etwa 3-3.5% Holz was dem Korn die braune Farbe gibt. Dadurch wird die Krume dann sehr viel dunkler.

LG, benjamin
Respectus Panis — Respekt dem Brot
benjamin
 
Beiträge: 104
Registriert: Mo 30. Aug 2021, 06:20
Wohnort: Tokyo, Japan



Ähnliche Beiträge


TAGS

Zurück zu Foren-Übersicht

Zurück zu Anfängerfragen

Wer ist online?

0 Mitglieder





Hosted by iphpbb3.com
Beliebteste Themen: Rezept, USA, Liebe

Impressum | Datenschutz