Re: Grundprinzip des Sauerteigs
von Caröle » Sa 13. Aug 2022, 22:49
Zu 1)
Anstellgut ist Sauerteig. Genauer genommen ist das der Teil eines Sauerteigs, der aufbewahrt wird, um damit einen neuen Sauerteigansatz mit den gewünschten Mikroorganismen zu "impfen".
Zu 2)
haltbar ist Sauerteig/Anstellgut, solange es nicht schimmelt oder die Mikroorganismen durch Hitze/extreme Kälte zerstört werden. Die Qualität lässt aber mit zunehmender Standzeit nach, weil sich die Mikroorganismen darin vermehren und dabei sowohl Nährstoffe verbrauchen als auch Ausscheidungsprodukte (Säure) abgeben, die sich anreichern. Je älter ein Sauerteig ist, desto saurer wird er und umso mehr büßt er an Triebkraft ein. Daher sollte man regelmäßig einen kleinen Teil davon mit reichlich frischer Nahrung auffrischen, dann ist wieder viel Reserve da und das Aroma bleibt mild(er).
Fangen die Mikroorganismen deutlich an zu hungern, bildet sich eine klare bis bräunlich-gräuliche alkoholische Schicht an der Oberfläche, der "Fusel". Der ist nicht giftig, sollte aber abgegossen werden, bevor man wieder auffrischt.
Wenn man sauber arbeitet, schimmelt ein Sauerteig kaum, die Säuren darin töten unerwünschte Mikroorganismen ab. Es kann aber sogenannte Kahmhefe, eine weißlichgraue Schicht, auf dem Sauerteig entstehen, die ungiftig ist. Die sieht aber anders aus als Schimmel, eher schmierig als pelzig.
Zu 3)
Die Reifedauer hängt von der Temperatur ab und davon, wieviel vom Anstellgut verwendet wurde. Je mehr Anstellgut = je mehr Mikroorganismen kommen gleich zu Anfang hinein und dann reift es auch schneller. Und je wärmer es steht, desto höher ist die Aktivität der Vermehrung darin, also geht es bei wärmeren Temperaturen deutlich schneller.
Ziel ist etwa Verdopplung und sichtbare Bläschenbildung/Schwammstruktur. Der Geruch sollte säuerlich, aber auch nicht zu stark nach Essig sein (kühlere Reifung und lange Standzeit vermehrt die Säurebildung, kurze warme Reifezeit fördert milderes Aroma).
Wird das Anstellgut gleich zum Sauerteigansetzen genutzt, kann es auch ausreifen, also bis zur Wölbung, aber soll es noch ein paar Tage nutzbar sein, ist es besser, es nicht vollreif in den Kühlschrank zu stellen. Der Kühlschrank verlangsamt weitere Entwicklungen, aber stoppt sie nicht ganz. Mit noch etwas Reserve-Futter halten die Mikroorganismen länger aus.
Wenn jemand gerne kräftig gesäuerte Brote mag, kann die Reife bei Raumtemperatut stattfinden, und wer mildere Brote möchte, stellt Anstellgut und daraus angesetzte Sauerteige wärmer, die Reifezeiten ändern sich dann entsprechend (grobe Faustformel: 5 Grad weniger = doppelte Zeit, 5 Grad mehr = halbe Reifezeit)
Caro... mit viel Koch- und langsam auch mehr Backerfahrung
Ausstattung: Kenwood Cooking Chef, Gusseisentopf, Schamott-Backstein, Gärautomat,
leider kein guter Ofen (max. 230°C), Sauerteige: Gärhard/Roggen und Gärtrud/Lievito Madre